Wissen (allein) ändert (noch) kein Verhalten

Lebenslanges Lernen im 3. Lockdown startet mit der Erkenntnis: Wissen ändert kein Verhalten, so die Quintessenz aus dem heutigen virtuellen Workshop Ernährung der Public Health Schweiz. ÄrztInnen, ForscherInnen, PolitikerInnen, Interessierte aus dem gesamten Umfeld der Ernährungswissenschaften waren vertreten und haben diskutiert.

Kritisch bleiben

Der Schnee fällt unermüdlich heute, der Kochtopf dampft und ich habe gerade eine virtuelle Konferenz besucht, die sich mit Nachhaltigkeit in der Ernährung, entsprechenden Strategien und Umsetzung beschäftigt hat. Tja, und dass es Wissen und auch falsches Wissen gibt, was die Nachhaltigkeitsbemühungen trübt. Studien und Gegenstudien wirbeln Wissen durcheinander und jeder kann sich rauspicken, was ihm taugt. Aber was ist, wenn wir gar nicht genau wissen, was tatsächlich richtig ist. Deshalb: Dranbleiben und kritisch bleiben – in alle Richtungen.

Da ich mich nach meiner derzeitig laufenden Fernausbildung zur Ernährungsberaterin gern im Bereich Ernährungspsychologie weiterbilden möchte, ist es natürlich sehr spannend zu wissen, wie sich gerade auch die Politik aufstellen wird. Verbote, Wissensvermittlung, Verteuerung von Ungesundem oder Labeln besonders gesunder Lebensmittel – all das beeinflusst die Arbeit von ErnährungsberaterInnen- und -psychologInnen.

Psyche und Biochemie

Ein Teilnehmer meinte, man solle das psychologisieren zugunsten der Erkenntnisse vernachlässigen, dass alles was im Menschen abläuft biochemisch begründet ist. Recht hat, auch das was psychisch passiert, basiert auf Biochemie.

Und auf der psychischen Ebene kann man die Menschen eher erreichen und motivieren als mit biochemischer Prozessbeschreibung. Allerdings ist es hilfreich zumindest ein paar der Abläufe zu kennen. Denn auch das hilft bei einer ausgewogenen, bunten, vielfältigen und letztlich gesunden Ernährung.

Was sind die Treiber der Essensentscheidung?

Gelernt habe ich über die Treiber der Essensentscheidung. Wer in die Natur geht, greift eher zu gesunden Lebensmitteln, sagt die Forschung. Wer ins Fitnessstudio geht auch, wer ins Kino geht, wird sicher kein Obst mitnehmen, sondern der freut sich aufs Popcorn. Warum? Weil das eben irgendwie zusammengehört, wie der Spargel zur Béchamelsauce oder Das Wienerwürstchen zum Kartoffelsalat (jedenfalls in unseren Breiten).

Treiber sind: Natur, Aktivität, Vitalität, Geschmack, Buntes, Duftendes, Verführerisches, Besonderes. Wer sich daran orientiert, behält sein Verhalten länger bei, als diejenigen, die mit langen Zähnen etwas langweiliges, gesundes essen – womöglich noch ohne Salz und Sossen.

Mythos Eigenverantwortung des Menschen

Es wurde auch vom Mythos Eigenverantwortung gesprochen. Eigenverantwortung klappt weder im Pandemiefall, wie gerade ganz aktuell täglich zu lesen ist, wenn trotz Massnahmen die Zahlen nicht besser werden wollen und klappt auch nicht im Supermarkt. Beim Preisvergleich greift man zum preiswerteren, bei der Optik entscheidet man sich für das besser aussehende. Für sein Geld will man viel im Korb haben und das soll appetitlich aussehen. Daher ist hier ein wichtiges Feld für die Politik zu beackern, die aber wohl auch der Agrarwirtschaft und anderen Wirtschaften gehörig auf die Füsse treten muss, um etwas zu erreichen.

Apfel oder Schokoriegel?

An der Frage warum man sich bei der Wahl zwischen Apfel und Schokoriegel für letzteres entscheidet, spaltete sich die Gruppe. Einmal Schokoriegel zu wählen sei ja noch nicht ungesundes Verhalten. Erst wenn Ungesundes zur Sucht wird, dann werde es kritisch. Eine Gratwanderung? Sicher für viele, die sich zu oft für den Schokoriegel und gegen den Apfel entscheiden. Und dann wird es schwer, aus diesem Muster rauszukommen. Abnehmen ist bekanntlich schwieriger als Pfunde ansammeln.

Wehret den Anfängen mit Aufklärung?

Besser wäre es doch, die gesunden Lebensmittel in den Vordergrund zu rücken und die anderen preislich unattraktiver zu machen oder ganz aus den Regalen zu nehmen. Und dann Aufklärung. Vielleicht ist Vielfalt auch dabei der Weg, mehr Menschen für das Gesunde zu gewinnen.

Danke den Organisator*innen für den spannenden Workshop!