Sich Bewerben ist wie ein Gang über den Laufsteg seines beruflichen Lebens.
Wenn Arbeitslosigkeit jüngere Menschen trifft, ist noch grosse Hoffnung vorhanden, etwas Neues zu finden. Mit Mitte 40 wird das schon etwas schwieriger, aber nicht unmöglich. Ab 50 liegt die Latte noch ein Stückchen höher und mit 60 braucht man eine Menge Humor, wenn jemand sagt, dass es schwer werden wird, aber man nicht chancenlos sei. Ich weiss nicht, ob das beruhigen soll oder, ob dahinter der Wunsch der Vater der Gedanken versteckt ist. Und dann gibt es noch – wen wundert es – Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Bewerber*Innen.
Erfahrung überzeugt doch
Keine Frage, mit höherem Alter ist es nicht einfach und keiner wird freiwillig arbeitslos, wenn die 60 überschritten ist. Nicht, dass man unbedingt müsste, aber wenn man noch motiviert ist, dann sind die Jahre bis zum offiziellen Rentenalter schon eine schöne Herausforderung. Die ganze Erfahrung, das lebenslang Gelernte gewinnbringend weiterzugeben ist aus meiner Sicht eine wunderbare Aufgabe. Allerdings muss man dann auch die Chance dazu bekommen.
Und warum ich nochmal auf den Laufsteg der Bewerbung
Mich hat es Ende 2020 im zweiten österreichischen Lockdown (LD) mit Beginn des dritten LDs Jahreszeiten gemäss „kalt“ erwischt. Restrukturierung. Kündigung.
Seit Wochen schreibe ich nun Bewerbungen. Einige Firmen melden sich, viele nicht. Bei einigen Inseraten ist ein Bewerbungstool hinterlegt, das nicht selten einige Tücken aufweist und den Bewerbungsprozess zum „Haare-raufen-Prozess“ werden lässt. Die Ausbeute bleibt übersichtlich, zeigt aber tatsächlich Chancen.
Auf dem Weg zur „Goldmedaille“
In den vergangenen sechs Wochen, seit Anfang Dezember, habe ich ca. 30 Bewerbungen geschrieben. Ausbeute drei Vorstellungsgespräche, davon sind zwei in die letzte Runde gegangen. Das kann zwar immer noch nur zur „Silbermedaille“ führen, aber immerhin. Mich hat das ungemein motiviert.
Die Erfahrung diesmal, es gibt tolle Gespräche in tollen Unternehmen, die ich sonst gar nicht kennengelernt hätte. Und es gibt ein ganz besonderes Highlight, was sich in diesem Laufsteg-Prozess offenbart.
Schatz heben
Nämlich, was man schon alles gemacht, erlebt, entwickelt, vorangebracht hat. Beim Erstellen des CVs kann man sein berufliches Leben Revue passieren lassen. Ein Schatz, der gehoben wird, um mit 60+ nicht zum alten Eisen abgestempelt zu werden. Und es gibt sie, die Unternehmen, die Aufgaben für uns – Ältere. Es braucht nur etwas Geduld. Nun jedenfalls läuft es gerade rund. Und ich bin motiviert und optimistisch.
Und dann kann einiges schief gehen
Ich will es euch nicht vorenthalten. Am Freitag hat trotz Schnee und schwierigen Fahrverhältnissen am Morgen zum ersten Termin alles perfekt geklappt. Mein Auto habe ich zwischen Aufstehen und Abfahrt bestimmt dreimal vom Schnee befreien müssen. Und dann bin ich auch fast eine Stunde früher als eigentlich nötig gewesen wäre losgefahren. Ein grummeliges Gefühl hat mich begleitet. Dachte Lampenfieber.
Beste Performance abliefern, wer erwartet mich, was erwartet mich, Assessment-Stimmung oder lockere Kennenlerngespräche, welche Fachpraxis wird gefragt etc. Na, jedenfalls komme ich überpünktlich an, und der Vormittag vergeht wie im Flug. Es war eines der besten Vorstellungsgespräche.*
Laufsteg-Marathon in der Schweiz
Und zeitlich so getaktet, dass ich zum zweiten Gespräch an dem Tag auch pünktlich ankommen würde. Mit dieser guten Stimmung habe ich mich auf den Weg gemacht. Die Strassen waren ziemlich frei geräumt und der Verkehr lief flüssig. Richtung Limmattaler Kreuz wich die Wolkendecke einem blauen Himmel und ich dachte, was für ein Zeichen. Vorbote Bauchgrummeln war vergessen.
Vom Laufsteg gekickt
Tja, und dann im Baustellenbereich in Richtung Gubrist, kommt ein LKW oder Sattelschlepper über den durchgezogenen Streifen auf meine Fahrbahn, touchiert mein Fahrzeug und kickt mich glücklicherweise in eine Schneeinsel. Unglücklicherweise fuhr der weiter und kümmerte sich nicht. Andere Verkehrsteilnehmer aber auch nicht. So sass ich gefangen in meinem Wagen, sämtliche Stresshormone schossen ins Blut, mein Körper zitterte unkontrollierbar wie Espenlaub und es hat eine Weile gedauert, bis ich mich beruhigt hatte.
Aufgeben kommt gar nicht in Frage
Mein zweites Gespräch wird hoffentlich zeitnah nachgeholt werden können. Mir ist bis auf Shock, Schreck und Blechschaden nichts passiert, aber der Tag war gelaufen. Polizei, Abschleppdienst, Check, ob das Auto fahrtüchtig geblieben ist und dann gings ganz langsam heimwärts.
Fazit des Tages
Ein echt schönes Vorstellungsgespräch mit netten Leuten und kniffeligen Fragen. Eine Portion Glück und eine Erkenntnis.
Die Portion Glück
Mein Handy war voll geladen, so konnte ich den Termin einigermassen professionell absagen, die Versicherung informieren, die Familie beruhigen und die Papiere richten – für die Polizei. Es entstand kein zusätzlicher Schaden, der Schnee hat bremsend gewirkt und so glaube ich einiges abgemildert. und ich habe keinen Stau in einer Baustelle erzeugt.
Später habe ich gesehen, es haben sich im Laufe des Tages weitere Interessenten mit Terminwünschen gemeldet. Wie heisst so treffend nach einem schlechten Erlebnis: aufstehen, Krönchen zurechtrücken und weitermachen…
Die weniger glückliche Erkenntnis
„Lifesafer“ in meinem Fahrzeug! gedrückt, gepresst, beschworen! Nichts! Mucksmäuschenstill! Dabei sollte im Falle eines Unfalls ein Druck auf den Knopf reichen, damit man Hilfe rufen und geortet werden kann, sollte der Verunfallte nichts mehr von sich geben können.
Papierkram, der Zeit braucht… nein, ehrlich, das hätte ich nicht gebraucht.
*…brandneu: Ich habe gerade die Zusage erhalten! Tschakka!“ die Welt ist schön!