Am 8. März habe ich ein Bild beim Engadin-Skimarathon gepostet und geschrieben, dass ich u.a. diesen Lauf meiner Freundin widme, die gegen das Ovarialkarzinom ankämpft und voraussichtlich den Kampf verlieren wird.
Nun ist es endgültig. Unsere 42ig jährige Freundschaft wird keine Fortsetzung finden. Zumindest nicht auf Erden. Vergessen werde ich sie nicht. Oh je, was für Gedanken. Noch lebt sie.
Schock und Erleichterung
Meine Freundin erzählte mir letztes Wochenende, dass die Aussage ihres Arztes Schock und Erleichterung zugleich waren. Und trotzdem ploppte im Hirn das „noch nicht glauben können“, das „nicht annehmen wollen“ und die Forderung nach einer Zweitmeinung auf. Die Zweitmeinung bestätigte die Aussage des behandelnden Arztes – leider. Der Zustand sei sehr ernst. Solange noch Kraft da sei, solle sie diese für das Regeln der letzten Etappe des Lebens nutzen. Dazu gehört die Suche nach einem Hospiz, dem Abschied vom Liebgewordenen und von der Familie.
„Es sieht sehr ernst aus“
Sie wirkte ungemein gefasst, als sie mich informierte. Seit 5 Jahren begleite ich sie. Von der Diagnose bis zum Abbruch der 5. Chemo, die nicht mehr gegriffen hat. Die nur noch Schmerzen machte und Kräfte aufzehrte. Krebs macht Schmerzen, Ängste, Verzweiflung, lässt den Wunsch entstehen aufzugeben. Krebs verändert den Menschen, die Familie, das Zusammenleben. Und Krebs infiltriert Familienmitglieder, die auch am Ende ihrer Kräfte sind, zu motivieren, wo es schon längst keine Hoffnung mehr gibt. Kämpfen musst du, den ndie Alternative ist… Krebs lässt sich nicht beeindrucken. Er ist auf eine fiese Art schlau. Zu schlau für die Medizin, die Forschung, den Menschen. Es sieht sehr ernst aus. Ja, das sieht es. Die letzten Wochen haben ihren Körper ausgezehrt.
Essen und Atmen fallen schwer wie nie
Die Peritonealkarzinose drückt auf Magen und Lunge. Das Essen fällt schwer, das Atmen auch. Einfachste Arbeiten sind mühevoll. Die Lebensqualität hat ihren Tiefpunkt erreicht. Mit 63 steht ein Leben vor dem Aus, das nie richtig gelebt hat. Manche sagen, jeder sei seines Glückes Schmied. Hätte sie doch… Na ja, so etwas ist immer einfacher gesagt. Und rückblickend unsinnig zu diskutieren. Die Zurückbleibenden können davon lernen und ihr Leben entsprechend ausrichten und dankbar sein. Dankbar für jeden leidens- und schmerz – und angstfreien Tag.
Ovarialkarzinom – die Büchse der Pandora
Viele Krebsarten werden heute bereits als chronische Krankheiten behandelt. Das Ovarialkarzinom gehört (noch) nicht dazu. Mit der Diagnose beginnen im Mittel 5 Jahre zu ticken. Bei meiner Freundin sind die 5 Jahre herum. Sie hat gekämpft, so stark, wie ich ihr das nie zugetraut hätte. Und ich hätte ihr gewünscht, sie hätte dem Krebs die Stirn bieten können. Und, dass ihr Leben nochmal einen richtigen Aufschwung genommen hätte. Hat nicht geklappt. Es sind vielleicht noch zwei oder drei Monate.
Unaufhörlich wie der Sand in einer Eieruhr
Der Sand in der Eieruhr rinnt nun scheinbar schneller und gnadenlos und unaufhaltsam. Doch diesmal wird keiner die Uhr umdrehen und es geht wieder von neuem los. Der Sand wird liegen bleiben, wie meine Freundin. Nach 42 Jahren werde ich bald nur noch Erinnerungen haben. Fällt mir gerade ziemlich schwer. Ich hoffe, es klappt noch, das ich sie besuchen, dass ich mich von ihr verabschieden kann. Momentan weiss ich zwar nicht, wie ich das emotional packen soll.
Was bleiben wird, sind Erinnerungen…
Zumindest gibt es wirklich schöne Erinnerungen. Und so wird sie immer irgendwie Teil meines Lebens sein. Es hat mir Spass gemacht, ihr viele schöne und aufregende Erlebnisse zu bieten und ihr zeigen, wie man mit Humor die idiotischsten Abenteuer meistern kann. Zum Beispiel, als wir mit dem Cabrio am Bodensee liegengeblieben waren und ein Freund beim Abschleppen das Seil falsch fixierte. Das donnerte in die Windschutzscheibe, prallte ab, knallte gegen sein Auto und unseres rührte sich dann nicht mehr von der Stelle. Es qualmte und stank. Oder als wir beide unsere Jobs verloren hatten und dann im facebook eine alte Liebe von ihr fanden, wie die Teenager Texte verfassten und aufgeregt waren so dass wir unsere missliche Lage vergassen. Oder als wir in den Alpen wandern waren, ohne dass ich die Strecke kannte. Und wir dann eine Woche vor Muskelkater und wunden Füssen nicht laufen konnten. Oder noch aus meiner Ausbildungszeit als Arzthelferin, ich mich mit Verband wickeln abmühte und Blut abnehmen lernen usw und sie mir geduldig alles zeigte.
Und eine unendliche Dankbarkeit
Ich danke ihr aber auch, weil sie meine damals zweijährige Tochter vor dem frühen Tod durch Darmverschluss gerettet hat.Und es gibt noch so viel mehr. Ich werde sie vermissen. Nein, ich vermisse sie jetzt schon.