Sind die Rotterdam Kriterien veraltet?

Anhand der Rotterdam Kriterien von 2003 werden nach wie vor Frauen mit Verdacht auf das Polyzystische Ovarial Syndrom (PCOS) diagnostiziert. Man muss sich die Frage stellen, ob die Rotterdam Kriterien nicht mittlerweile veraltet sind.

Die Rotterdam Kriterien lauten:

  1. Oligomenorrhoe (seltene Menstruationsblutung, kein 28 Tage Zyklus, Zyklen länger als 45 Tage) / Amenorrhoe oder Anovulation (dh. Keine Menstruation und kein Eisprung)
  2. Hyperandrogenämie, d.h. eine Vermännlichung (Andogenisierung) des Körpers infolge zu hoher Blutwerte an männlichen Hormonen.
  3. Polyzystische Ovarien im Ultraschall, wobei Zysten die falsche Bezeichnung ist. Es handelt sich um Follikel. Zur Unterscheidung: Eine echte Ovarialzyste ist Hohlraum, der mit Flüssigkeit oder Gewebe gefüllt sein kann und an den Eierstöcken sitzt. Sie macht meist keine Beschwerden.

Benötigt wird ein Test-Katalog, der die Rotterdam Kriterien unterstützt und zu einer frühen, gesicherten und schnellen Diagnose von PCOS führt.

Bisher gilt: Bei Vorliegen von mindestens zwei der Kriterien erhärtet sich der Verdacht – wenn der untersuchende Arzt/die untersuchende Ärztin dies fachlich beurteilen kann. PCOS füllt derzeit noch kein Semester und ist nach wie vor nicht übermässig bekannt.

Veränderungen werfen ihre Schatten voraus

Sie selbst als Betroffene oder Sie als Mutter stellen Veränderungen bei Ihrer pubertierenden Tochter fest, die Sie zum Nachdenken bringen, weil sie doch anders sind, als üblich?

Dann sollten Sie das mit Ihrem Arzt/Ihrer Ärztin Ihres Vertrauens rechtzeitig besprechen!

Meist sind daher weitere Tests nötig, um eine definitive Diagnose stellen zu können. Fordern Sie alles ein! Möglich, dass einiges nicht als Kassenleistung abgerechnet werden kann. In diesem Fall investieren Sie dies in Ihre Gesundheit. Es zahlt isch eher früher als zu spät für Sie aus. Nicht alle Ärzte sind offen, gleich alles zu untersuchen. Letztlich geht es aber um Ihre Gesundheit. Und die hat nichts mit Kinderwunsch oder noch keinem Kinderwunsch zu tun.

Hier ein paar Tests, die auch in wissenschaftlichen Publikationen genannt werden und die Sie ansprechen sollten:

  • Zyklus-Mittelphase, soweit eingrenzbar: Progesteron-Bestimmung zur Klärung des Ovulationsstatus
  • Anti Müller Hormon (AMH) zeigt die Eizellreserve in den Eierstöcken an und ist daher ein Marker für die Fruchtbarkeit an. Bei PCOS ist der Wert üblicherwiese ausserhalb der oberen Referenzgrenze, dies aufgrund der vermehrt gebildeten Follikeln und Antralfollikel (auf der Oberfläche des Ovars herangereifte Eizellen)
  • AMH und LH: In dieser Kombination können Frauen mit PCOM von PCOS unterschieden werden. PCOM steht für morphologisch und bedeutet, dass die Ovarien zwar viele Follikel aufweisen, diese aber nicht zum PCOS führen müssen.
  • Androgenisierung: Test auf erhöhtes Testosteron, erhöhter Index an freiem Androgen (FAI) oder dem Vorhandensein von Hirsutismus (Ferriman Gallwey Score >7) sowie Akne (Aknescore), Seborrhoe (Überproduktion von Fetten durch die Talgdrüsen in der Haut) bis hin zu Haarausfall/dünnen Haaransätzen.
  • OGTT = der orale Glukosetoleranztest wird initial genutzt, um zu erfahren, ob eine Insulinresistenz vorliegt. Bei weiteren Abklärungen sollte Insulin und Nüchternblutzucker erfasst werden, um über den HOMA-Index eine belastbare Aussage treffen zu können. Dies speziell bei Kinderwunsch.
  • HOMA = HOMA-IR, (Homeostasis model assessment). HOMA betrachtet den Regelkreis der Kohlenhydrat-/Zuckerverarbeitung im Körper. Ein erhöhter HOMA-IR zeigt eine erhöhte Insulinresistenz an
  • IR = Insulinresistenz, d. h. Körperzellen reagieren weniger/zu wenig auf das ins Blut ausgeschüttete Insulin zur Kohlenhydrat/Zuckerverarbeitung. Sie wird häufig in Verbindung mit PCOS festgestellt. Hierzu müssen der Nüchternblutzucker und das Insulin bestimmt werden. Liegt der ermittelte Wert nach Umrechnung mit einem speziellen Faktor unter 1, liegt keine IR vor. IR scheint unabhängig vom BMI aufzutreten aber in Abhängigkeit des Zyklus zu stehen. So sollen Frauen ohne ovulatorischen (anovulatorisch) Zyklus eher IR ausbilden.
  • Fettstoffwechsel: Untersuchungen auf Cholesterin und Triglyzeride sind Indikatoren für das metabolische Syndrom, das bei Übergewicht/Adipositas häufig beobachtet wird, aber auch bei schlanken Frauen nicht ausgeschlossen werden darf.
  • BMI = Body Mass Index, in 50% der Fälle ist das PCO Syndrom mit Übergewicht/Adipositas verknüpft. Die Messungen von Hals-, Taille, Bauch und Hüftumfang gibt Aufschluss über BMI und Körperfettgehalt. Anstrebenswert ist ein Wert unter 25.
  • LH/FSH = Das Verhältnis des Gelbkörperhormons (LH = Luteinisierendes Hormon) und des Follikelstimulierenden Hormons (FSH)  ist entscheidend. Andernfalls würde im Falle eines Eisprungs, das Ei nicht befruchtet werden können.
  • Vitamin D: 25-OH-Vitamin D

Meine Empfehlung

Meine Empfehlung für nachfolgend gelistete wichtigen Tests (z. B. wenn kein vaginaler Ultraschall gemacht werden kann, weil die Mädchen zu jung dafür sind). Sie hat sich meiner langjährigen Erfahrung mit Studienteilnehmerinnen und Ärzteschaft entwickelt und ist ausbaubar:

  • oGTT
  • HOMA-IR
  • Cholesterin
  • Triglyceride
  • Vitamin D
  • Hormone:Testosteron, freies Testosteron, DHEAS und Östrogen, Progesteron, AMH, LH und FSH sowie TSH (Schilddrüse)

Diese Parameter sollten zwingend untersucht werden, wenn Verdacht auf PCOS besteht. Alles andere, wie grosses Blutbild kann folgen.

Mein Appell

Bevor diese Tests nicht gemacht wurden, sollte jungen Mädchen keine Pille verschrieben werden, nur um äusserliche Symptome zu lindern. Aus meiner Sicht ist das unverantwortlich. Warum? Weil ich junge Frauen mit 20 bis 25 in meiner Beratung habe, die das Gefühl äusserten, dass mit Pille (meist Odyssee mit vielen Pillen) und nach Absetzen, alles viel schlimmer wurde.

Mein Wunsch

Ich habe in den letzten Jahren viele Gespräche mit PCOS-Patientinnen geführt und viel Leid gesehen. Leid, das mit der richtigen Untersuchungsmethode und Behandlung weitestgehend vermieden werden kann.

Es sind

  • Krankenkassen,
  • Ärzteschaft und
  • Ausbildungseinrichtungen gefordert hier aktiv zu werden und für Aufklärung, Kostenübernahme und Unterstützung zu sorgen.

Früh erkannt liessen sich viele Probleme vermeiden. Die Patientinnen würden es leichter haben, die Diagnose zu verkraften und ihr Leben darauf einzustellen – und dies bevor Komorbiditäten, wie Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen sowie Depressionen und (un)erfüllter Kinderwunsch ihnen das Leben zusätzlich schwer machen.

Weiterführende Literatur für Interessierte

  • Saucedo de la Llata E. Et al (2016) LH-FSH ratio and Polycystic Ovary Syndrome: A forgotten test? Ginecol obstet mex, 85: 84 to 94 
  • Lunger F, et al. Accurate Screening for insulin resistance in PCOS women using fasting insulin concentrations. GynecolEndocrinol 2013; 29:541-4
  • Campanati A, Ganzetti G, Di Sario A, Benedetti A, Offidani A. Insulin resistance, serum insulin and HOMA-R., J Gastroenterol. 2013
  • Homburg R. et al. The relationship of serum anti-Mullerian hormone with polycystic ovarian morphology and polycystic ovary syndrome: a prospective cohort study. Hum Reprod 2013; 28:1077-83
  • Dunaif et al.  profound peripheral insulin resisteance, independent of obesity, in polycystic ovary Diabetes 1989; 38:1165-74