Lagerkoller in der Zeit von Corona

Er geht mir auf die Nerven – nett gemeint. Der Mann redet und redet, mit mir, mit sich selbst mit allem. Er ist seit acht Wochen daheim. #stayathome 100% umgesetzt. Wir  – mein Mann und ich – sind die altersmässige, altersgerecht gesunde Risikogruppe und dürfen nicht so, wie wir wollen und können. Denn wir riskieren weder unsere Gesundheit, noch die der anderen. Gesunder Menschenverstand plus hauseigenes Forschungsmedizinerwissen – Wir schaffen die Krise!

Chef im Heim

Wir bleiben daheim und gehen nur raus zum Einkaufen, Arzt, um anderen zu helfen und zur Arbeit. Letzeres nur ich, denn ich habe eine Bewilligung, die Grenze zu überqueren und kann derzeit kein Home-Office machen. Qualitätsmanagement ist Arbeit vor Ort. Aber mein  Mann, der ist nun der Chef im Heim und am Herd.

Leben aus dem Koffer

Ein Mann, der viele Jahrzehnte im Beratungsgeschäft (Personal, Outplacement etc.) nur unterwegs war. Quasi ein Leben aus dem Koffer. Zuletzt hat ihm das auch nicht mehr so viel Spass gemacht. Aber von 100 auf 0 runtergebremst. Das sollte es auch nicht sein.

Home-Office – Office-Home

Er macht sein Homeoffice zum Office-Home, kauft ein, unterstützt im Haushalt und wartet. Er wartet auf mich. Ich gehe jeden Morgen um 7 aus dem Haus und bin 12 Stunden später wieder da. Morgens ist er noch nicht wach, abends bin ich todmüde. Die Kommunikation ist übersichtlich, herzlich, aber übersichtlich und manchmal, ja manchmal geht er mir auf die Nerven.

Reden, reden, reden

Er hat Redebedarf und sprudelt vor sich hin, entwickelt brillante Ideen für die Zeit nach Corona und wirft diese geistige Saat auf den ausgemergelten Boden meines müden Hirns. Er sagt, so stellt er sich das Rentnerdasein vor. Irgendwie einsam zweisam… Nährboden für den Lagerkoller!

Lagerkoller

Nach einigen düsteren Wolken am Ehehimmel ist dieser wieder nahezu wolkenlos. Platz für Lagerkoller verdrängende Ideen. Die gehen jetzt so weit, dass wir Shakespeare mit verteilten Rollen lesen. Und einen genialen Spass daran haben.

Schachwelt

Seine Schach-Kenntnisse konnte er in der Zeit signifikant verbessern, nur leider bin ich völlig unbegabt. Kindheitstrauma. Mein Vater hat mich zweimal mit dem gleichen Zug reingelegt und mir den Spass dran genommen. Und das wäre mir am Abend dann auch derzeit zu viel. Ich stecke mitten in der Probezeit und muss mich in die Welt der Inkubatoren und Biobanken einarbeiten.

Arbeitswelt

Eine faszinierende Welt für die Unterstützung von Biotechnologie, Epidemiologie, Biologie und Medizin. Mein Fulltime-Job umfasst globale Verkaufsaktivitäten, Qualität und Human Resources mit Facetten, wie Sicherheitsbeauftragte, Marketing und aktuell Corona-Task Force. Die Ansprüche meines Arbeitgebers sind hoch. Und meine Ansprüche an mich auch. Strukturen, Strategien und daily business müssen unter einen Hut gebracht werden. Sehr spannend, sehr herausfordernd – nur, da bleibt nicht viel Kapazität, um dem Lagerkoller daheim zu begegnen.

Konträrfaszination

Lagerkoller – wir machen unsere Witze, lachen viel und gehen uns aus dem Weg, intuitiv. So klappts mit Office-Home bei ihm und Konträrfaszination bei mir. Das Fernsehen läuft leider so oft, wie nie zuvor. Das seichte Geblubber im Hintergrund spült meine Gehirnwindungen frei. So frei, dass mir das nun auf die Nerven geht. Ich habs ihm noch nicht gesagt, haha, hebe ich mir für später auf. Er mag meine Fernsehabende nicht. Weil, dann bin ich absorbiert und unterhalte mich nicht mit ihm.

Gemeinsamkeit

Zusammen essen geht nämlich auch nicht. Könnte man ja meinen, wenigstens das funktioniert. Zum Frühstück bin ich zu früh auf und abends ist´s mir mit essen zu spät. Ja, wir haben schon echte Probleme. Sind da noch die Wochenenden. Und tatsächlich, an denen schaffen wir gemeinsame Zeiten.Es ist also noch nicht Hopfen und Malz verloren und der Lagerkoller ist ein Begleiter geworden, der uns immer wieder inspirierend zueinander führt.

Bewegung bewegt

Den Lagerkoller aufzubrechen gelingt uns mit Bewegung. Glücklicherweise ist Bewegung erlaubt. Rad fahren, Joggen, Spazieren gehen. Und kleine Challenges, wie zu Ostern den „Bunny-Run“, der durch Teilnahme der TeamDEBEC´ler über 600 Euro auf das Spendenkonto von AIMED für die PCOS-Forschung gespült hat, und den Halbmarathon an zwei Tagen durchs Gebiet mit Naturwachtaufgaben kombiniert usw.